Mail einer Pächterin an Bürgermeister von Dassel

Sehr geehrter Herr von Dassel,

ich schreibe Ihnen heute als Pächterin des Himmelbeet-Gemeinschaftsgartens im Wedding, aber auch als Bürgerin des Bezirks Mitte und langjährige Grünen-Wählerin. Das Himmelbeet liegt mir sehr am Herzen, weil es einer der wenigen öffentlichen Orte im Wedding ist, die wirklich funktionieren und die Nachbarschaft zusammenführen. Meine Kinder spielen und gärtnern dort mit anderen Kindern aus dem Kiez, unterschiedlichsten Menschen unterschiedlichster Herkunft, denen wir sonst nie begegnet wären.

Ich hoffe deshalb sehr, dass Sie als grüner Bürgermeister von Mitte sich mit vollem Engagement für diesen Ort einsetzen werden. Das heißt für mich auch, dass Sie die Wahlkampf-Schlagworte Transparenz und Partizipation in Ihrem Regierungsalltag ernst nehmen. Eine gute Lösung für die zukünftige Flächennutzung in der Ruheplatzstraße kann es nur geben, wenn alle Beteiligten auf Augenhöhe verhandeln und wenn alle Beteiligten gleichberechtigte Partner einer verbindlichen Vereinbarung über die zukünftige Nutzung sind. Separatverhandlungen und –verträge zwischen dem Bezirksamt und dem Amandla e.V. darf es nicht geben!

Am Himmelbeet können Sie außerdem zeigen, was grüne Politik für Stadtgesellschaft und Stadtentwicklung heißt. Himmelbeet ist fest im Kiez verankert, lebt von ehrenamtlichem Engagement, integriert Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit und ohne Behinderung, Eingesessene und Geflüchtete, beim Gärtnern, in Kochkursen, in der Fahrradwerkstatt, bei Aktionen zur Reinigung von Spielplätzen in der Umgebung. Ein solches Projekt verdient jede Unterstützung, es darf nicht durch unüberlegte Politik gefährdet werden!

Die Ziele von Amandla e.V. sind sicher unterstützenswert, ihre geplante Umsetzung stimmt mich aber skeptisch. Erstens scheint es mir sehr fragwürdig, wenn Organisationen aus der Charity-Industrie zulasten lokalen bürgerschaftlichen Engagements faktisch subventioniert werden. Geplant sind ja offenbar die kostenfreie Überlassung von öffentlichen Freiflächen und eine Art Public-Privat-Partnership für den Hallenbau und die Sportflächennutzung. Ob der Bezirk hier nicht letztlich „draufzahlt“, scheint mir mehr als unklar. Solche faktischen Subventionen dienen aber nicht dem Kiez, sondern sie fließen in die Geschäftsführergehälter und die Außendarstellung von privaten Organisationen wie Amandla e.V. Dass hier noch ein privater Sponsor durch Benennung oder Produktplatzierung wirtschaftlich profitieren soll, wie offenbar von Amandla angedacht, macht das Modell vollends inakzeptabel.

Zweitens scheint mir das Amandla-Konzept, soweit es bekannt ist, den Bedürfnissen und Notwendigkeiten des Kiezes wenig angemessen. Der „SafeHub“ als Ort der physischen und psychologischen Sicherheit für Kinder aus urbanen und suburbanen Slums (vgl. Amandla-Website) ist für südafrikanische Townships entwickelt worden. Sein Erfolg soll sich unter anderem an einer gesunkenen Anzahl von Morden innerhalb eines 600 m-Radius um die SafeHubs bemessen (wiederum Amandla-Eigendarstellung).

Der Wedding ist zwar ein sozial schwieriges Gebiet, mit einem Township in Kapstadt ist er aber wohl kaum vergleichbar. Den Menschen und besonders den Jugendlichen hier ist mit einem Fußball-Raumschiff nicht geholfen. Viel wichtiger ist es, dass die Stadtumgebung mit ihren Problemen, ihren Widersprüchen, aber auch ihren vielfältigen wertvollen Initiativen wahrgenommen wird. Der unschätzbare Einsatz und das leidenschaftliche ehrenamtliche Engagement der Bürger sollte von politischer Seite ernstgenommen und unterstützt werden. Sozialarbeiter und Trainerinnen auf den vorhandenen Sportflächen wären hilfreicher als ein Dreifach-Kunstrasenplatz mit Flutlicht und Adidas-Showroom.

Deswegen bitte ich Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass das Himmelbeet bleiben und wachsen kann. Vertrösten Sie die Engagierten im Himmelbeet nicht mit politischen Floskeln, sondern sorgen Sie dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger über die Gestaltung ihres Kiezes mitbestimmen.

Keine Verdrängung von bürgerschaftlichem Engagement, kein Flächennutzungsvertrag ohne Himmelbeet!

Mit freundlichen Grüßen,

Laura S.

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